„Häfen der Träume“ – Deutschland, ein Einwanderungsland (Teil II/II)

Laytmotif in Hamburg und Bremen: Teil I | Teil II

Auf der Hamburger Veddel, gleich beim Hafen, gibt es also eine kleine Moschee, die einen türkischen Namen trägt: Vatan, türkisch für Heimat, Heimatland, Vaterland. Und am Ausgang der Auswandererhallen der nahen Ballinstadt grüßen die Kinder der Veddel – aus über 50 Nationen. Nicht weit vom früheren Abfertigungsort für viele Millionen Auswanderer in die „Neue Welt“ sind ganz offensichtlich Einwanderer sesshaft geworden, Einwanderer, die ihr Heimatland für eine „neue Welt“ im alten Europa hinter sich gelassen haben. Die „Ports of Dreams“ für Auswanderer wurden mit dem „Wirtschaftswunder“ zu „Häfen der Träume“ für Einwanderer. Besuche in Museen und Spaziergänge zu den türkisch geprägten Nachbarschaften in Hamburg, Bremen und Bremerhaven lassen ein wenig von der Geschichte dieser Einwanderung erfühlen.

„Deutschland wirbt an“ sagt eine Infotafel in der Ballinstadt, der Arbeitsmarkt sei „leergefegt“ gewesen, eine andere: Das Hamburger Auswanderermuseum Ballinstadt ist (inzwischen) auch Einwanderungs- und Migrationsmuseum; das Museums-Kapitel „Welt im Wandel“ nach 1945 legt einen Fokus auf die Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte nach Deutschland. Für Produktion und Transport in all den neuen und sich erneuernden Industrien brauchte es Arbeitskräfte, Arbeitskräfte, die es nicht genügend gab. Frauen, als die einzige inländische „Reserve“, ließen sich nicht für alle verfügbaren Tätigkeiten einsetzen. Die Öffnung des westdeutschen Arbeitsmarkts für ausländische Arbeitskräfte, für so genannte „Arbeitsmigranten“, wurde für praktikabel befunden: Unter der Kanzlerschaft von Konrad Adenauer wurden dafür zwischen 1955 und 1963 Anwerbeabkommen mit Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei und Marokko geschlossen. Und so beginnt die Arbeitsmigration aus der Türkei auch in die geschichtsträchtigen, einst und wieder wirtschaftlich starken Hafenregionen Hamburg und Bremen/Bremerhaven.

Bremerhaven
Bremerhaven

Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen den deutschen Auswanderern in die Neue Welt und den Einwanderern aus der Türkei in die Alte Welt: Damals in Amerika waren einem Großteil der Immigranten die anstrengendsten, gefährlichen und gering bezahlten Tätigkeiten vorbehalten. Berichte z. B. über die Arbeit in den Fleischfabriken Chicagos, illustrieren das (s. z. B. Albtraum im Akkord, spiegel.de). In den deutschen Hafenregionen warteten auch auf die türkischen (und italienischen, spanischen, griechischen) Arbeitsmigranten körperlich harte, un- und angelernte Tätigkeiten in den Häfen, der Zuliefererindustrie und den damals zahlreichen Werften in Hafennähe. Untergebracht – zu Beginn vor allem in Baracken – wurden sie in der Nähe der Werften, Häfen und Reedereien: Heute noch konzentrieren sich die sichtbaren türkischen Communities in Hamburg vor allem um diese (ehemaligen) wirtschaftlichen Zentren. Mit Moscheen wie Stecknadeln in einer Landkarte: Die Vatan-Moschee auf der Veddel zwischen Hafen, Zubringerstraßen und -bahngleisen, die Eyüp-Sultan-Moschee nahe der Hafenbecken in Hamburg-Harburg, die Ayasofya-Moschee im hafennahen Arbeiterbezirk Wilhelmsburg. Gleich neben den heutigen Produktionsstätten von Airbus in Finkenwerder gibt es in einem kleinen Backsteinhaus die Küçük Istanbul Moschee in Neuenfelde. „Klein Istanbul“, Küçük Istanbul, wurde die Barackensiedlung für die türkischen Arbeiter der nahen ehemaligen Sietas Werft genannt.

„Quittje wird im Hafen der Zugereiste, der Nicht-Bremer genannt … Zum gleichen Wortstamm gehört quittieren, abgeleitet von frz. Quitter (einen Ort, eine Person verlassen).“
Bremer Hafenmuseum Speicher XI

Fatih Moschee, Bremerhaven
Fatih Moschee, Bremerhaven

„Mit dem Zug von Adana nach Bremerhaven“: Gleich neben dem Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven wird gebaut, ein Schwesterhaus, das sich ab 2021 auf ähnlich großer Fläche der anderen Seite der Medaille, der Einwanderung, widmen soll. Das Auswandererhaus war bei seiner Eröffnung das erste Museum in Deutschland, das sich dem Thema Migration widmete. An den Schaukästen heißt es also auch schon mal fast offiziell „Migrationsmuseum“, besonders an denen, die das Thema Einwanderung behandeln. Spaziergänge zu den türkisch geprägten Nachbarschaften lassen auch in Bremerhaven ein wenig von der Geschichte der Einwanderung erfühlen. Die Fatih-Moschee, Eroberer-Moschee, reckt ihre Minarette in Sichtweite des Fischereihafens in den Himmel, früher ein Ort harter körperlicher Arbeit. Und in der nahen Georgstraße duftet aus der Bäckerei Pelin nach frischen Sesamkringeln. Weiter nördlich duften die Sesamkringel aus der Lloydbäckerei in der Lloydstraße, nahe dem Dönermann und dem Café National, einst dem vornehmsten Café an der Unterweser. Die Lloydstraße, benannt nach der mal weltgrößten Reederei mit angeschlossener Werft, führt von den alten Häfen zur heute nicht mehr existierenden Rickmers-Werft, früher wichtiger Arbeitgeber in Bremerhaven. Um die Ecke in der Hafenstraße gibt es türkische Flaggen, Kumru, Künefe, und auch mal Gyros (griechisch) und Döner (türkisch) aus einer Hand.

Schiffbauer, Bremen
Schiffbauer, Bremen

In Bremen-Gröpelingen schaut im Schiffbauerweg ein „heroischer“ – ganz deutscher… – Schiffbauer auf die Fatih-Moschee gegenüber. Das Relief schmückt das Verwaltungsgebäude der AG Weser aus dem Jahr 1930. Die Fatih-Moschee, auch eine Eroberer-Moschee und mit Raum für 1300 Gläubige die drittgrößte in Deutschland, wurde vom 1973 gegründeten Moscheeverein erbaut, der ältesten muslimischen Gemeinde Bremens. Auch in Gröpelingen duftet es nach Sesamkringeln, es gibt uygun fiyat, günstige Preise, Mevlana, Taksim Döner, Zeki Baba am Waller Tor und das BİM Center in der Heerstrasse, eine Filiale des türkischen Discounters Birleşik Mağazalar. Und eine stark frequentierte Schuldenberatung: An der Geschichte der AG Weser – Use Akschen, „unsere Aktiengesellschaft“ – lassen sich exemplarisch wirtschaftlicher Aufstieg (mit Arbeitskräftebedarf) und Niedergang (mit Arbeitskräfteüberschuss und Arbeitslosigkeit) erzählen.

Moschee Gröpelingen, Bremen
Moschee Gröpelingen, Bremen

Die AG Weser war ein Teil des Krupp-Konzerns, der aus dem Ruhrgebiet Erfahrungen beim Einsatz von Arbeitskräften aus der Türkei hatte und sie gezielt auch für die Werft anwarb. (Das Virtuelle Museum der Migration berichtet detailliert zur Arbeitssituation in Gröpelingen und dem beginnenden Fokus auf Arbeitskräfte aus der Türkei.) Die Werft war nach dem Krieg wieder ab den 1950ern wirtschaftlich erfolgreich geworden und blieb es bis zum Ende der 1970er im Nachkriegswirtschaftswunderland, mit zeitweise bis zu 8000 Mitarbeitern. Ölkrise, Modernisierungsstau, starke Wettbewerber in Asien – Ökonomen nennen einige Gründe für das Werftensterben der 1970er und 1980er, in Bremen, aber auch in Hamburg und Bremerhaven. Die AG Weser wurde 1983 geschlossen, tausende Mitarbeiter arbeitslos. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude sitzt heute ganz passend das Jobcenter Bremen West, und auf dem früheren Werftgelände wurde ein riesiges Einkaufszentrum gebaut. In Bremerhaven versinkt die Lloyd Werft, früher die Werft des zeitweiligen Weltmarktführer Norddeutscher Lloyd, in der Bedeutungslosigkeit. Von der Bremerhavener Rickmers Werft kündet nur noch das imposante Werkstor auf einer grünen Wiese von ehemaliger Größe. Wenn man durchs Tor schaut, kann man das Jobcenter Bremerhaven auf den früheren Werksgelände sehen.

Hafen Hamburg
Hafen Hamburg

1966 legte im geschäftigen Bremer Überseehafen das erste Containerschiff in Deutschland an, die amerikanische Fairland. Den Überseehafen gibt es heute nicht mehr; das Hafenbecken wurde 1995 zugeschüttet: Dass der Container Katalysator für die Globalisierung werden würde, dass klassische Stückguthäfen, mit viel manuellem Frachtumschlag durch viele Arbeiter, verschwinden würden, dass es die alten Schiffstypen bald nicht mehr brauchen würde, ahnten damals sicher nur wenige. Die Containerisation veränderte die globalen Logistikprozesse komplett – der Bremer Überseehafen zum Beispiel wurde in der Folge kaum mehr angefahren und versank in der Bedeutungslosigkeit. Die Weser von Bremen flussabwärts, noch nach Bremerhaven, stehen heute – einfacher zugänglich für die großen Containerschiffe – die großen Verladekräne im Stadtbremischen Überseehafengebiet, heute einer der wichtigsten und größten Containerhäfen Europas. Es brauchte nun andere Häfen, andere Reedereien, andere Schiffe, andere Züge, andere LKWs, andere Straßen. Und es brauchte – viel weniger Arbeitskräfte. Die Banane, ja, auch die Banane eignet sich, den Prozess der Containerisation zu illustrieren, der Rationalisierung, des drastischen Abbaus von Arbeitsplätzen: Im Kunstmuseum Bremerhaven thematisiert der Künstler Jochen Krüger mit seiner Installation Bananen an Bord eines der lange nur einzeln auf Männerschultern abladbaren Hafengüter, Bananenstaude für Bananenstaude. Bremerhaven war lange Zentrum des deutschen Bananenhandels: Die Deutsch-Westindische Bananengesellschaft Elders & Fyffes wurde dort 1926 gegründet. Seit damals wurden in Bremerhaven Bananen angelandet; das Abladen der Bananenstauden war schwere körperliche Arbeit war – bis zum Aufkommen von Kisten und Kühlcontainern. Heute hebt ein Verladekran den Container vom Schiff auf einen Transportwagen oder einen LKW. Und der fährt danach weg. Wenn es auch kaum noch körperliche Arbeit braucht, braucht es doch weiter Logistik: Das Hamburger Logistikunternehmen Hapag-Lloyd, entstanden aus der Fusion der beiden Auswanderungsprofiteure Hapag, Hamburg, und Norddeutscher Lloyd, Bremen, war auch im Pandemiejahr 2020 mit knapp 13 Milliarden Euro Umsatz und 1,3 Milliarden Euro Gewinn überaus profitabel.

Das Wirtschaftswunder ging zu Ende: 1973 stoppte die Bundesrepublik Deutschland die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, wegen der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen der Ölkrise und allgemein zunehmender Arbeitslosigkeit. Deutschland erklärte sich zum Nichteinwanderungsland. Das deutsche Anwerbeabkommen war, anders als die Auswanderung nach Übersee, von vornherein auf zeitliche Befristung ausgelegt. Gäste und „Gastarbeiter“ sollen das „Gastland“ auch wieder verlassen. 14 Millionen ausländische Arbeitskräfte waren ab dem Ende der 1950er bis 1973 gekommen, 11 Millionen wieder gegangen. Die anderen blieben und holten ihre Familien nach. Nach 1973 bis 1989 war die Zahl ausländischer Arbeitnehmer weiter gesunken, auf 1,6 Millionen Arbeitnehmer. Parallel dazu steigt jedoch die ausländische Wohnbevölkerung auf 4,9 Millionen, wie die Museumstafeln im Auswanderermuseum Ballin-Stadt konstatieren. Sie konstatieren auch, dass sich die Stimmung oft zuerst gegen (illegale und legale) Zuwanderer richtet, wenn im Zielland der Zuwanderung wirtschaftliche Krisen entstehen. Beschimpfungen wie „Türken raus“ nahmen seit den 1970ern zu.

Güneş Reisen, Bremerhaven
Güneş Reisen, Bremerhaven

Vatan, Heimat, war Deutschland zumindest für die erste Einwanderergeneration aus der Türkei wohl nie – Vatan-Moscheen nehmen Bezug auf die Türkei, nicht auf Deutschland. Solche Bezüge zum Ausgangsland sind den heute noch existierenden deutschen Heimatvereinen in USA nicht unähnlich: Am Auswandererdenkmal von Bremerhaven von 1986 stehen auf den Tafeln mit Spendernamen aus den USA zum Beispiel der Schwaben-Männerchor und die Vereinigten Bayern-Vereine Milwaukee, der Cannstatter Frauen-Verein Philadelphia, der Orden der Hermanns-Söhne in Kalifornien. „Die Einwanderer und auch noch ihre Kinder bevorzugten deutschstämmige Nachbarschaften“ ist im Bremerhavener Auswandererhaus zu lesen; sie suchten den Schutz in Gebieten mit eigener Infrastruktur und starken Bindungen an das Ausgangsland. Wie das Hamburger Wilhelmsburg heute noch stark türkisch geprägt ist, war das New Yorker Williamsburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überwiegend von deutschen Einwanderern bewohnt.

Hinterm Hamburger Hauptbahnhof, im lange wenig anheimelnden Gebiet um den Steindamm, entwickelte sich schon gleich seit Beginn der Zuwanderung aus der Türkei ein Zentrum türkischen Lebens. Im Museum in der Ballinstadt zeigen historische Fotos von Heinrich Klafs Kunden in einem türkischen Supermarkt am Steindamm – Atatürk schaut milde herab. Die Bilderserie zeigt ein Foto des türkischen Reisebüro Türk Seyahat – auch da lächelt Atatürk inmitten von Türkeiplakaten. Unter einer Türkeiflagge preist ein Filmprogramm am Hotel Savoy am Steindamm den Film Kara Davut mit Kartal Tibet von 1967 an – es gab türkische Filme in Originalfassung bei der Sonntags-Matinee. Und heute? Schon gleich am Bahnhofsausgang trägt ein junger Mann eine Maske mit dem Wort Savas, türkisch für Krieg – gegen das Virus? Topkapı Anatolian Streetfood, Kokoreç, Türkische Spezialitäten aus Urfa, Bizim Berber (neben Sexshops, ist ja trotzdem Bahnhofsviertel), Haji Baba Döner, Anatolia Juwelier, Bayburt Baklava, Turkish Airlines, Ankara Kebab, Steindammbazar, Sultan Bazar – das die Nachbarschaft türkisch geprägt ist, ist nicht zu übersehen. Der Lindenbazar („Ihr multikultureller Einkaufstreff“) schmiegt sich an die Centrum-Moschee mit ihren großen Minaretten. An einer Giebelwand steht unübersehbar für Vorbeigehende Sure 5 Vers 3 des Koran, über einem Wandbild mit einer der großen traditionellen Moscheen Istanbuls.

Steindamm-Moschee, Hamburg
Steindamm-Moschee, Hamburg

Um den Steindamm ist es deutlich zu spüren, das so genannte „Ethnic Business“, Dienstleistungen, die von Einwanderern für ihre ethnischen Gruppen angeboten wurden und werden, v. a. im Bereich Lebensmittel und Gastronomie, zum Überleben in einer fremden Kultur, und im Bereich Touristik, für die Reisen in die Heimat. „Hayırlı yolculuklar“, Gute Reise mit Lindenreisen steht an einem Reisebüro an der der Centrum-Moschee. Vural Öger hat sein Reisebüro Istanbul 1969 in Hamburg gegründet, das als erstes Direktflüge von Hamburg in die Türkei anbot, Keimzelle von Öger Tours. Als eines der ersten türkischen Unternehmen in Deutschland engagierte sich die İş Bank mit einer Zweigstelle in Hamburg. Mit diesem „Ethnic Business“, in den 1960er, 70ern und 80ern eine mögliche wirtschaftliche Nische für Einwanderer aus der Türkei, beginnt deren aktiv gestaltende Teilnahme am Wirtschaftsleben in Deutschland. Die um den Steindamm entstehenden neuen modernen Hotels, Wohn- und Geschäftshäuser beherbergen heute auch „türkisches“ Business, das längst die Nische verlassen hat. Türkische Gemüsehändler sind heute auch Großhändler: Wie Onkel Sahingöz, Großhändler mit Millionenumsatz, „spezialisiert für den Ethnischen Markt mit Schwerpunkt Türkische Produkte“ (lt. Selbstauskunft), mit Sitz im Großmarkt Hamburg am Hamburger Oberhafen. Millionenumsätze macht auch Samova, das Hamburger Teeunternehmen von Esin Rager mit türkisch-deutschen Eltern: Es gibt einen Schwarztee mit orientalischer Note, Istanbul Nights, ansonsten aber mit Gin Soul, Digital Detox, Heidi’s Delight oder Business Trip ausgesprochen moderne Teekultur. Osman Kımıl ist Inhaber von Unipack Films, einem Hamburger Unternehmens für Verpackungsfolien und Präsident des BUV – Bundesverband der Unternehmervereinigungen e.V. (Das Glück einer Gastarbeiterfamilie).

Gemüsehändler, Hamburg
Gemüsehändler, Hamburg

In den neuen Generationen mit Türkeihintergrund gibt es inzwischen ganz vielfältige Beschäftigungen mit den gemeinsamen deutsch-türkischen Beziehungen. An einer Hamburger Litfass-Säule, wird für Kabarett Oriental des Hamburgers Kerim Pamuk geworben, Autor von Kiffen, Kaffee und Kajal. Eine kurze Geschichte von allem, was uns lieb und orientalisch ist. Der Hamburger Ali Haydar Güngörmüş, „ein deutscher Koch und Fernsehkoch“ (Wikipedia) kocht in seinem Hamburger Sterne-Restaurant Le Canard Nouveau. Und er hat Birol Ünel für Soul Kitchen gecoacht, dem Film des inzwischen weltberühmten Hamburger Regisseurs Fatih Akin. Der seinerseits mit Soul Kitchen auch über die Gentrifizierung der alten Hamburger Hafengebiete nachdachte. „Die türkische Sprache ist keine Sprache, die man spricht, sondern eine Sprache, die man verlernt.“: Die Hamburger Publizistin Kübra Gümüşay trägt ganz aktuell, z. B. ihrem Buch Sprache und Sein, zur Debatte um das Einwanderungsland Deutschland bei. Das Kunsthaus Hamburg zeigte im letzten Herbst die Ausstellung The Futureless Memory, konzipiert von Dilek Winchester. Winchester, geboren und lebend in Istanbul, studierte an der Bauhaus Uni Weimar. Die Ausstellung zeigte Arbeiten von Francis Alÿs, Eda Aslan & Dilşad Aladağ, Khaled Barakeh, Hera Büyüktaşçıyan, Ergin Çavuşoğlu, Nadia Christidi, Balca Ergener, Michaela Melián, Judith Raum, Samara Sallam, Dilek Winchester. Eine neue Künstler*innengeneration mit familiären Wurzeln in der Türkei erinnerte sich auch an deutsche Emigranten in die Türkei: Hera Büyüktaşçıyan und Dilek Winchester mit „You Have Got a Letter From Ivi Stangali“ an Erich Auerbach, von 1936 bis 1947 im Exil als Hochschullehrer an der Universität Istanbul. Es werden Auszüge aus den Günaydin Notizbüchern des Literaturprofessors, Philologen und Übersetzers moderner türkischer Literatur Traugott Fuchs gezeigt, seit 1934 in Istanbul lebend und dort 1997 gestorben. Eda Aslan und Dilşad Aladağ beschäftigten sich mit dem deutschen Botaniker Alfred Heilbronn, Gründer des Botanischen Gartens Istanbul,1935 bis1955 erst im Exil und danach freiwillig in der Türkei, 1941 aus Deutschland ausgebürgert, ab 1946 türkischer Staatsbürger.

Im ersten Teil des Artikels berichtet Laytmotif von Wanderern woanders hin, von Auswanderern aus Hamburg und Bremen: „Ports of Dreams“ – Deutschland, ein Auswanderungsland.

Zum Weiterlesen:
Kadriye Acar: Türkische Unternehmensgründer in Deutschland (heimatkunde.boell.de, November 2011)
Arbeitsmigration nach Bremen und Gröpelingen (Virtuelles Museum der Migration, abgerufen am 08.08.2021)
Yaşar Aydın: Heimat Almanya. Die deutsch-türkische Migration (bpb.de, 25.05.2018)
Camilla Dawletschin-Linder /Amke Dietert: Begegnungen – İlişkiler: Hamburg und die Türkei in Geschichte und Gegenwart (Landeszentrale für politische Bildung, 2010)
Cafer Isin: Einwanderer über Abstieg von Bremerhaven: „Irgendwann war der Geruch weg“ (taz.de, 24.11.2019)
Maren Möhring: Die türkische Gastronomie in der Bundesrepublik. Eine Migrations- und Konsumgeschichte (heimatkunde.boell.de, November 2011)

Laytmotif in Hamburg und Bremen: Teil I | Teil II