Turkuaz, der Türkenstein

Türkis, freute sich 2010 das amerikanische Unternehmen Pantone LLC zu verkünden, ist die „Farbe des Jahres“! Nicht irgendeine Schattierung, sondern präzise PANTONE 15-5519 Turquoise aus dem Pantone Matching System (PMS), ein – nach der Pressemitteilung von Pantone – einladender, leuchtender Farbton, der die heiter-gelassenen Qualitäten von Blau mit den belebenden Aspekten von Grün kombiniere. Türkis inspiriere Gedanken von Ruhe, tropischen Wassern und einer tröstlichen Flucht vor den täglichen Sorgen dieser Welt, gleichzeitig unser Wohlgefühl wiederherstellend… [Spüren Sie schon, wie die wundersamen Kräfte des Türkis zu wirken beginnen?].

Bosporus. Manchmal türkis.  Am İstanbul Modern, Tophane, İstanbul, 2012

Bosporus. Manchmal türkis. Am İstanbul Modern, Tophane, İstanbul, 2012

Eine Süper-Farbe offensichtlich, dieses Pantone-Türkis – dessen besondere Eigenschaften sich aber wohl auch bei all den anderen Schattierungen zwischen Grün und Blau finden lassen. Den Farbnuancen, die zwar außerhalb des Pantone-Farbwerts liegen, aber trotzdem Türkis heissen. Für das RGB-Farbsystem werden bei Wikipedia unter dem Stichwort Türkis schon sechs verschiedene Farbwerte behandelt, denn: „Der Grenzfall zwischen Grün und Blau, das Türkis, ist in seiner Zuordnung vom individuellen Empfinden abhängig.“ (Wikipedia)

Kalligraffiti, Erfurt, 2013

Kalligraffiti, Erfurt, 2013

Für diesen Grenzfall zwischen Grün und Blau gibt es in vielen europäischen Sprachen dieses eine – gleiche oder zumindest sehr ähnliche – Wort: Turquoise (Englisch, Französisch), tyrkysový (Tschechisch), turkoosi (Finnisch), tirkisowy (Niedersorbisch), turchese (Italienisch), turquesa (Portugiesisch, Katalanisch, Spanisch), turkusowy (Polnisch), turkos (Schwedisch), tyrkysový (Slowakisch), turkízen (Slowenisch). Und turkuaz bzw. türkuvaz (Türkisch).

Traditionelles İstanbuler Holzhaus, 2013

Traditionelles İstanbuler Holzhaus, 2013

Pierre Turquoise ist der Ursprung aller dieser Bezeichnungen – und nein, Pierre Turquoise ist kein Franzose mit türkischem Migrationshintergrund, ein mythischer Erstentdecker des Steins mit der besonderen Farbe. Pierre ist zwar ein französischer Vorname, ist aber auch das französische Wort für Stein, turquoise ist französisch für Türkisch – türkischer Stein also ganz einfach. Türkis und alle anderen Abwandlungen als verkürzte Namen für den Stein und seine Farbe haben dort ihre Wurzeln.

Koranspruch in einem Fenster in İstanbul, 2013.

Koranspruch in einem Fenster in İstanbul, 2013.

Der Türkenstein wurde auf dem Gebiet der heutigen Türkei allerdings nie abgebaut, einer der Hauptfundorte ist seit Jahrhunderten das damalige Persien, der heutige Iran. Der Edelstein gelangte von da über das benachbarte Osmanische Reich und seine Vorgängerstaaten, über die Station Konstantinopel, nach Europa. Europäische Kaufleute gaben ihm den Namen „türkischer Stein“. Wir wissen es schon: Alles, was aus den Ländern der aufgehenden Sonne kam, wurde gerne kategorisiert, mit dem Label „Orient“ oder eben „a lá Turque“, etwas aus den geheimnisvollen Ländern im Osten.

Hotel Turkuaz, Sultanahmet, İstanbul 2013

Hotel Turkuaz, Sultanahmet, İstanbul 2013

Als turkuaz bzw. türkuvaz migriert das Wort später wieder ins Türkische zurück. Über die Integration türkischer Worte in andere Sprachen und umgekehrt von Worten aus anderen Sprachen ins Türkische wurde auf Laytmotif hier und hier schon geschrieben. Mit oryantal kennen wir auch schon die Turkifizierung einer „abendländischen“ Kategorisierung für das „Morgenland“. Die Turkifizierung von Pierre Turquoise ist eine weitere erstaunliche Aneignungsleistung:  Turkuaz bzw. türkuvaz bezeichnen heute auch in der türkischen Sprache sowohl den Edelstein Türkis als auch seine Farbe.

Neue Moschee, Yeni Cami, Eminönü, İstanbul 2013

Neue Moschee, Yeni Cami, Eminönü, İstanbul 2013

Dabei gibt es ein weiteres Wort für Türkis im Türkischen: Firuze, das ältere, arabische Wort für Türkis, gerät allerdings als Farbbezeichnung etwas in den Hintergrund.  Das geheimnisvolle firuze war neben lacivert (dunkelblau), und auch mor (dunkelviolett), gök mavisi (himmelblau) und yeşil (grün) eine der Grundfarben osmanischer Fliesen, Wand- und Bodendekor in Palästen und Moscheen, zum Beispiel der in Europa „Blaue Moschee“ genannten Sultan-Ahmed-Moschee in İstanbul. Firuze ist heute noch ein „sprechender“ weiblicher Vorname, für den es auch eine männliche Abwandlung gibt: Firuz. Das neutürkische Turkuaz hat es dagegen schon bis zum Nachnamen geschafft – und sicher haben Sie schon geahnt, dass es in der Türkei Menschen gibt, die Firuz Turkuaz heißen.

Osmans Töchter, die moderne Küche İstanbuls in Berlin. Berlin, Prenzlauer Berg, 2014

Rot und Türkis: Osmans Töchter, die moderne Küche İstanbuls in Berlin. Berlin, Prenzlauer Berg, 2014

Übrigens: Viel mehr als das nicht-türkische Türkis sieht man im öffentlichen Raum in der Türkei das Rot der türkischen Flagge. Es hat den Pantone-Wert 186C.

Quellen:
Çini Tarihi, Selçuk Dönemi, Geschichte der Fliese, Selçuk-Periode (dekocini.com.tr, 18.3.2014)
Firuze (vorname.com, 18.3.2014)
PANTONE 15-5519 Turquoise (www.pantone.de, 18.3.2014)
Türkis (karrer-edelsteine.de, 18.3.2014)
Türkis (mineralienwissen.de, 18.3.2014)
Türkis (Wictionary, Stand 9.2.2014)
Türkis, Farbe (Wikipedia, Stand 13.2.2014)
Türkis, Mineral (Wikipedia, Stand 30.11.2013)