Laytmotif auf Reisen: İzmir
İzmir, 14. November 2014: Kültür, Montrö, Lozan
Der İzmir Kültürpark im Herz der Stadt – mit Messe, Palmen, Zoo, Vergnügungspark – ist groß, grün (beleuchtet), lange offen und bei Nacht geheimnisvoll.
Und ideale Rückzugsmöglichkeit für Paare in einer Stadt in einem Land mit weniger Optionen auf Zweisamkeit als anderswo.
Und es gibt Statuen von liegenden nackten Frauen – in öffentlichen Parks der Türkei eine absolute Seltenheit.
Der Park wurde 1936 eröffnet, die Namen der vier Eingangstore markieren je zwei wichtige Daten und Orte im „Nation building“ der Türkischen Republik nach dem Ersten Weltkrieg. Im Gegensatz zur entspannten Vergnüglichkeit des Parks sind sie alle mit von den beteiligten Seiten jeweils unterschiedlich gerechtfertigten Kriegshandlungen verbunden, mit Toten und Vertriebenen.
Lozan Kapısı, das Tor von Lausanne
1922 siegt die Türkei im griechisch-türkischen Krieg. Im folgenden Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 zwischen der Türkei auf der einen Seite sowie Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Griechenland, Rumänien und dem Serbisch-Kroatisch-Slowenischen Staat auf der anderen konnte die Türkei Bestimmungen von nach dem Ersten Weltkrieg abgeschlossenen Verträgen teilweise nach ihren Vorstellungen revidieren. Die heutigen Grenzen der Türkei und Griechenlands basieren auf diesem Vertrag.
Montrö Kapısı, das Tor von Montreux
Der Vertrag von Montreux (auch Meerengen-Abkommen) vom 20. Juli 1936 gab der Türkei die volle Souveränität über die Dardanellen, das Marmarameer und den Bosporus zurück. Er ist noch heute in Kraft und regelt den freien Schiffsverkehr durch diese Gewässer.
26 Ağustos Kapısı, das Tor des 26. August
Die türkische Armee ging am 26. August 1922 unter der Leitung von Mustafa Kemal in die Offensive gegen die griechische Armee.
9 Eylül Kapısı, das Tor des 9. September
Der Türkische Befreiungskrieg war der Unabhängigkeitskrieg der türkischen Nation von 1919 bis 1923 unter der Führung Mustafa Kemal Paschas gegen die Besatzungsmächte der Triple Entente sowie gegen den Plan eines Großarmeniens, Großgriechenlands, italienischer, französischer und britischer Besatzungszonen in Anatolien. Der Krieg endete am 9. September 1922 mit der Einnahme der damals mehrheitlich griechisch besiedelten Großstadt Izmir durch türkische Truppen.
İzmir, 13. November 2014: Abgefahren
Laytmotif wohnt in im İzmirer Bahnhofsviertel Basmane, nicht weit vom Bahnhof Basmane Gar.
Dort wird auch unter einen alten Zug gekrochen, immer auf der Suche nach deutsch-türkischen Themen, zum Beispiel nach der „deutschen Bahnbaukunst“, die Bagdadbahn im Kopf. Die spielt keine Rolle in İzmir, dem alten Smyrna: Der Zug wurde von den Ottoman Railway Makers, Leeds , für die britische Smyrna Cassaba Railway gebaut, die den Zugverkehr in Westanatolien von 1863 bis zur Enteignung 1934 betrieb. Erst Ende des 19. Jahrhunderts hatte das Osmanische Reich unter Abdülhamid II. für die Bagdadbahn auf den deutschen Kaiser Wilhelm II. gesetzt.
Nächster Versuch: İzban muss eine 1:1-Übersetzung der deutschen S-Bahn sein. Falsch: İz ist die Abkürzung von İzmir, ban die von Banliyö Trenleri. Banliyö, die türkische Version des französischen banlieu, bedeutet Vorort, tren kommt natürlich vom englischen train.
Wenigstens schenkte Wilhelm II. İzmir und Sultan Abdülhamid eine Uhr. Und zwar die im 1901 zum 25. Thronjubiläum des Sultans errichteten Uhrturm, Wahrzeichen von İzmir und heute auch Teil des Stadtwappens.
Der zeigt die aktuelle Zeit vor Allem den Fährpassagieren in Konak an, die vor oder nach der Fährpassage oft die İzban nutzen. Die großen Autofähren heißen Feribot.
İzmir, 12. November 2014: Katzen, Katzen, Katzen
Katzen, Katzen, Katzen – überall stupsen sie einen an, liegen auf Stühlen, halten den Verkehr auf, sind niedlich, werden gefüttert. Nach offiziellen Statistiken ist die Bevölkerung der Türkei 99,8% muslimisch – und anders als Hunde gelten Katzen nach muslimischen Regeln nicht als unrein. In einer bekannten Episode im Leben des Propheten Mohammed, die auch der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk in „My Name is Red“ beschreibt, spielt eine Katze eine Rolle: Um die auf einem Zipfel seines Gewands schlafende Katze nicht wecken zu müssen, schneidet Mohammed den Zipfel lieber ab.
Mehr zur Katzenikonografie im islamischen Kulturkreis erfährt man in einem interessanten Artikel der Süddeutschen Zeitung.
İzmir, 11. November 2014: Seifenopern
„Seifenoper“ heißt auf Türkisch „Pembe Dizi“ (Rosa Serie). Türkisch lernen, morgens und abends im Hotel, mit dramatischen Fernsehserien, „Turkey’s biggest export“ (Hürryiet Daily News).
Verkauft vor Allem in den Nahen Osten, den Balkan, Kaukasus, die Länder der Arabischen Welt haben türkische Fernsehserien längst die lateinamerikanischen Telenovelas abgelöst. 3 von 4 Menschen in 16 Ländern des Nahens Ostens haben schon türkische Fernsehserien geschaut.
Laut dem Türkischen Ministerium für Kultur und Tourismus wurden in den letzten zwei Jahren mehr als 15.000 Stunden Fernsehserienzeit in 75 Länder verkauft, der Umsatz stieg von 1 Million Dollar 2007 auf heute fast 200 Millionen. Für 1923 wird eine Milliarde 2023 erwartet.
İzmir, 10. November 2014: Atatürks Todestag
Die Reise beginnt in İzmir, mit dem Jahrestag von Atatürks Tod am 10. November 2014. Im traditionell liberalen, weltoffenen İzmir, Hochburg der Kemalisten, wird des Gründers der modernen Türkei mit besonderem Nachdruck gedacht: Autos bleiben 9:05, der Todesminute, stehen, Menschen auch, und weinen, tragen Atatürk-Tshirts. Wie im ganzen Land tönen die Sirenen.