„Studentenfutter: Wie ich zum Studieren nach Berlin ging“
Studentenfutter heißt in Deutschland eine Nuss-Rosinen-Knabbermischung. Jungen Menschen aus der Türkei, die in Deutschland studieren möchten, möchte ich „Futter“ geben, möchte mit ihnen meine Erfahrungen als Student in Berlin teilen.
Dieser Artikel im türkischen Original
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Ich bin ein İstanbul’lu, ein İstanbuler; meine Familie stammt aus Dersim. Heute lebe ich in Berlin und studiere an der Technischen Universität – ein Türke mehr in Deutschland… 😉 Berlin war dabei nicht unbedingt meine erste Wahl, ursprünglich wollte ich nach Großbritannien gehen. Das Leben dort wäre für mich aber viel zu teuer gewesen, also verabschiedete ich mich erstmal von diesem Gedanken und suchte mir eine Arbeit in der Türkei, arbeitete zweieinhalb Jahre für die Akbank. In dieser Zeit reifte mein Entschluss, meinen Bildungsweg im Ausland fortzusetzen.
Eins kam zum anderen: In Deutschland leben schon viele meiner Verwandten – einer der wichtigsten Gründe für mich, dieses Land für ein Studium zu wählen. In Berlin leben außer meiner großen Schwester, abla, und meinem großen Bruder, abi, auch Onkel väterlicherseits, amca, und mütterlicherseits, dayı, Tanten väterlicherseits, teyze, und mütterlicherseits, hala, Cousins und Cousinen, kuzenler – ganz offensichtlich eine typische Familie aus der Osttürkei… Mit der Unterstützung meiner Familie in der ersten schwierigen Zeit in Deutschland würde ich rechnen können, habe ich mir überlegt, und darüber mit meinem Bruder gesprochen. Er weiß viel zum Thema, ist er doch selbst im Jahr 2000 nach Berlin gekommen, hat Deutsch gelernt und die Architekturfakultät der Technischen Universität absolviert. Er ist für mich ein Vorbild: Er geht seit Langem die Wege, die ich heute vorhabe zu gehen.
2007 lebte ich schon einmal Berlin, etwas mehr als einen Monat. Daher hatte ich zumindest einige Kenntnisse über die Stadt. Bevor ich hierher kam dachte ich, dass Berlin und Deutschland im Verhältnis zu Istanbul und zur Türkei demokratischere, liberalere und menschlichere Orte seien. In der Tat stimmten meine Erwartungen mit der Realität überein.
Eigentlich hatte ich nicht unbedingt vor, über mein Leben in Deutschland zu schreiben; Jans (von Laytmotif) Idee, das zu tun, gefiel mir aber gut. Ich denke, dass ich damit auch anderen, die in Deutschland studieren wollen, helfen kann. Die Mehrheit der Informationen, die man in der Türkei im Internet zum Thema findet, halte ich für veraltet und nicht mehr wirklich aktuell. Noch besser gefällt mir aber, dass dieser Artikel auch auf Deutsch erscheint: Die Deutschen, die ihn lesen, werden verstehen, dass die Wege, die ich gegangen bin und die ich noch gehen werde, keine bequemen und leichten sind.
Als ich 2011 in Istanbul in der Bank arbeitete, habe ich gespürt, dass ich meine Ziele dort nicht würde verwirklichen können; ich entschied, meine Träume in die Wirklichkeit umzusetzen. Zuallererst muss ich sagen: Der Weg, der dafür zu nehmen ist, ist schwer und anstrengend. Vor allem, weil man sich von seinem Land, seiner Stadt und – am wichtigsten – seiner Familie und seinen Freunden trennen muss. Es fällt schwer, sie für eine lange Zeit nicht sehen zu können. Es tut von Zeit zu Zeit weh, für Ziele und Träume, die wir verwirklichen möchten, auf diese und viele andere Dinge zu verzichten. Bevor sie diese Gedanken von mir lesen, könnten die Menschen, die ich kenne, geglaubt haben, dass ich mich in Deutschland, in Berlin, den lieben langen Tag amüsiert und vergnügt habe. Aber es ist nicht so, wie es vielleicht von Weitem aussieht…
In Europa zu studieren ist der Traum sehr vieler junger Menschen in der Türkei. In der Türkei gibt es nicht genügend gute Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen; wegen der besseren Arbeits- und Lebensbedingungen möchten sie daher entweder für eine bestimmte Zeit oder für immer in ein europäisches Land gehen. Manchmal ist es schwer, diesen Wunsch zu verwirklichen, mit ein bisschen Glück manchmal auch leicht. Wenn man endlich ein Studentenvisum für das Land seiner Wahl in der Hand hält, sind die Anstrengungen noch nicht zu Ende. In diesem Land warten im Vergleich zur Türkei sehr verschiedene Lebensbedingungen und –umfelder. Für meine Entscheidung nach Deutschland zu gehen, war für mich wie gesagt der wichtigste Grund, dass ein Teil meiner Familie hier schon lebt. Meine Familie und vor Allem mein Bruder hat schon eine Menge für mich hier vorbereiten und organisieren können, bevor ich überhaupt nach Berlin kam. Alle Ausgaben sind hier in Euro – natürlich… Besonders wichtig war deshalb in der ersten Zeit ihre materielle Unterstützung; mein für Deutschland gespartes Geld konnte ich deshalb sparsam einsetzen.
Es braucht Geduld, nach Deutschland zu kommen: Weil es schon eine große türkeistämmige Minderheit im Land gibt (ungefähr 3 Millionen), ist der Visumsprozess mit einigen Hürden verbunden; ein Visum zu bekommen, ist nicht leicht. Zu den von den deutschen Behörden geforderten Dokumenten gehört zum Beispiel ein „Motivationsbrief“, ein Dokument, dass wenn möglich auf Deutsch, mindestens aber auf Englisch die Beweggründe für den Aufenthalt erklärt. Im Vergleich zur türkischen Bürokratie ist die deutsche eine sehr viele systematischere Angelegenheit. Es ist daher sehr wichtig, die erforderlichen Dokumente wahrheitsgemäß, lesbar und vollständig vorzubereiten.
Das Ganze hat natürlich auch eine materiell-finanzielle Dimension: Der deutsche Staat fordert den Nachweis eines bestimmten Geldbetrags von Ausländern, die in Deutschland studieren möchten. Gegenwärtig sind das 8.000 Euro, die den Ausgaben für ein Jahr entsprechen. Dieser Betrag wird auf ein Sperrkonto bei einer deutschen Bank eingezahlt, von dem dann später monatlich bestimmte anteilige Beträge abgehoben werden können. Wenn man das Thema weiter vertiefen möchte: Der deutsche Staat möchte nicht, dass man ihm zur Last fällt! Also, in diesem Sinne, wenn Du 8.000 Euro dabei hast, so komm! Den Nachweis, dass das Sperrkonto eingerichtet ist, braucht man auf jeden Fall für die Visumsbewerbung. Helfen wird dabei außerdem auch ein Dokument zur geplanten Teilnahme an einem Deutschkurs im Zielland.
Mit dem Schengen-Visum, das das deutsche Konsulat in der Türkei ausgestellt hat, betrete ich deutschen Boden – und alle, die aus der Türkei kommen, denken, dass sie hier ein komplett anderes Leben erwartet. Menschen, die mit ihren Fahrrädern durch die Straßen spazieren, eine besonders im Vergleich zu Istanbul viel grünere Stadt, weniger Verkehr, ein öffentlicher Nahverkehr, der einen leicht in die entferntesten Winkel der Stadt bringt, Menschen, die aus aller Welt und besonders aus Europa zu Besuch kommen können, dabei ihre eigene Kulturen mitbringen – sind für mich Berlins wichtigste Besonderheiten. Schon auf dem Weg vom Flughafen bemerkt man, dass das Leben hier anders fließt. Man übertreibt nicht, wenn man sagt, dass das Leben hier ordentlicher und disziplinierter abläuft. Jedoch sollte es einem nicht verwundern, wenn man auf der Straße, im Bus, im Park, in der U-Bahn – kurz, überall – Menschen mit Alkohol in der Hand sieht… Hier stellt Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit kein Problem dar, solange man niemanden damit schädigt.
Gleich nach meiner Ankunft in Deutschland habe ich mit dem Deutschkurs begonnen. Im Kurs sind Menschen verschiedener Kulturen und aus verschiedenen Ländern, aus Israel, der Türkei, Russland, China, Italien, Großbritannien, Japan, Paraguay und aus arabischen Ländern. Das eröffnet die Möglichkeit, verschiedene Perspektiven kennenzulernen. Die Kommunikation kann in der ersten Zeit dabei durchaus schwierig sein, schließlich sprechen wir zu Beginn keine gemeinsame Sprache, haben unterschiedliche Vorlieben. Nach einiger Zeit jedoch gehen wir Leute aus dem Kurs wenigstens einmal pro Woche gemeinsam ins Café. (Unser Favorit ist die Bar Das Hotel). Mit unserem „Rumpf-“Deutsch gelingt es uns zu kommunizieren – natürlich ist für uns Deutsch die gemeinsame Sprache, und so beginnen wir sie zu gebrauchen. Es ist wichtig zu erwähnen, dass das Deutsch, das man auf der Straße oder in der Metro hört, in der ersten Zeit derb und roh klingt, dass sich Menschen bisweilen anhören, als würden sie nur streiten. So ist es natürlich nicht – je besser man die Sprache versteht, versteht man auch, dass das kein Streit ist, sondern ganz normale Unterhaltungen.
Diese grobe Sprache musste ich nun lernen – Voraussetzung dafür, meinen Bildungsweg hier fortzusetzen. [Ein Sprachtandempartner kann dabei nützlich sein.] Wer eine Hochschulausbildung in Deutschland beginnen möchte, muss eine bestimmte Sprachprüfung – TestDaF oder offizieller Universitätssprachkurs – absolvieren. TestDaF (Deutsch als Fremdsprache = Yabancı Dil Olarak Almanca Sınavı) bietet sechsmal im Jahr eine Prüfung an; an den Universitäten wird das unterschiedlich gehandhabt. Auch in der Türkei ist die Teilnahme an TestDaF-Prüfungen möglich.
Außer, dass Deutsch ohnehin schon kompliziert ist, besteht die Sprache auch aus zu vielen Regeln. Es ist in der ersten Zeit allerdings eine Herausforderung, dass – dem Türkischen genau entgegengesetzt – im Deutschen Präpositionen entscheidend für Grammatik und Satzstruktur sind. Aber wenn man sich davon nicht abschrecken lässt und sich diszipliniert anstrengt, kann man am Ende des ersten Jahres akzeptable Deutschkenntnisse erworben haben. Mein Kurs hatte bei 5 Tagen wöchentlich jeden Tag 3,5 bis 4 Stunden. Das Europäische Sprachenportfolio kennt 6 Sprachebenen (A1, A2, B1, B2, C1, C2). A1, A2 ve B1 sollen in jeweils zwei Monaten absolviert werden, B2, C1 ve C2 hdauern jeweils drei Monate. Am Ende der Stufe B2 kann man am TestDaF teilnehmen – logischer erscheint mir allerdings der Test nach dem Absolvieren von C1.
TestDaf ist eine vom TestDaf-Institut durchgeführte Sprachprüfung. TestDaf besteht aus vier Modulen: Lesen, Hören, Sprechen und Schreiben; für das TestDaf-Zertifikat muss man in jedem Kapitel mindestens vier Punkte erreichen. Wenn man schon in einem Modul nur drei Punkte erreicht, kann man sich an vielen Universitäten nicht bewerben. Im TestDaf werden Fragen mit wissenschaftlichem Sprachhintergrund gestellt; eine gute Wort- und Satzstruktur ist sehr wichtig. Indem synonyme Worte abgefragt werden, wird die Beherrschung der deutschen Sprache gemessen.
Nach der TestDaf-Prüfung beginnt alles von Neuem. Bis zum Test nur auf Deutsch konzentriert, danach geht es daran, sich mit Universitäten bekanntzumachen. Obwohl einige Unis auch direkte Bewerbungen akzeptieren, sollten sich ausländische Studenten in Deutschland über Uni-Assist für ein Studium bewerben. Für eine Gebühr, die sich jedes Jahr ändert, übernimmt Uni-Assist alle Formalitäten. Obwohl eine Bewerbung über Uni-Assist empfehlenswert ist, sollte man vorher mit den Unis seiner Wahl in Verbindung treten und klären, welche Unterlagen für eine Bewerbung gebraucht werden. Uni-Assist prüft die eingesandten Dokumente und bereitet sie für den Versand an die ausgewählten Universitäten auf. Unis können Bewerbungen wegen formalen Mängeln ablehnen. Deshalb ist es von Vorteil, bei der Vorbereitung der Bewerbung genau und aufmerksam zu sein. Grundsätzlich sind zweimal im Jahr, zum Sommer- und zum Wintersemester, Bewerbungen möglich – anders als in der Türkei, wo sich Studenten nur zum Wintersemester bewerben können. Auch in Deutschland nimmt aber nicht jeder Fachbereich zu jedem Semester neue Studenten an. Der Großteil der neuen Studenten beginnt auch in Deutschland mit dem Studium zum Wintersemester. Es ist sinnvoll, ein Jahr vor Studienbeginn mit den Bewerbungsvorbereitungen zu beginnen, sich zu informieren und mit den Bewerbungsbestimmungen vertraut zu machen.
In Deutschland gibt es zwei Arten von Hochschulen: Einerseits die Universitäten, an denen wissenschaftlich gelehrt wird. Wer eine akademische Karriere anstrebt, wählt eher diesen Typ. Andererseits die Fachhochschulen, die praxisorientierter sind und Studenten eher aufbauend auf ihrer Berufsausbildung studieren.
Die Struktur an den Universitäten ist sehr frei und offen. Den Semesterplan beispielsweise stellt man selbst zusammen, entscheidet selbst, an welchen Tagen welche Seminare und Vorlesungen belegt werden. Wenn der Studienplan klug zusammengestellt ist, bleibt möglicherweise sogar noch freie Zeit für Praktika oder einen Studentenjob neben dem Studium. In der Türkei hingegen sind die Studienpläne lange im Voraus festgelegt, es gibt dazu keine Alternative. Wegen der großen Seminargruppen und zur Vertiefung des im Studium Gelernten gibt es an deutschen Universitäten das System der Tutoren, Studenten der höheren Semester, die in Kleingruppen mit Studenten Studieninhalte wiederholen. Tutoren bekommen dafür von der Universität ein bestimmtes Honorar. An Fachschulen kann man in der Regel wie in der Türkei keinen eigenen Studienplan zusammenstellen, muss dem vorgegebenen Plan folgen. Auch an Fachhochschulen gibt es Tutoren. Wenn irgendein Thema noch unklar ist, sollte man nicht zögern: Jeder Tutor und jeder Professor hat Sprechzeiten, zu denen man von ihnen Antworten auf Fragen zu Studieninhalten bekommen kann.
Visum erhalten, ein bestimmtes Sprachniveau erreicht, den TestDaF absolviert, über Uni-Assist bei Universitäten in und bei Berlin beworben – und schließlich bin ich zum Studium an der Wirtschaftsfakultät der Technischen Universität Berlin (TU) angenommen worden. Neben der TU sind in Berlin noch die Freie Universität, die Humboldt –Universität und die Universität der Künste große und bekannte Universitäten. Eigentlich wollte ich in Berlin gleich meinen Master in Wirtschaftswissenschaften machen – ich erfahre jedoch, dass ich als Absolvent eines türkischen Studiums der Öffentlichen Verwaltung nicht sofort einen Masterstudiengang der Wirtschaftswissenschaften belegen kann. Deswegen hatte ich keine Alternative als mich noch einmal für den Bachelor einzuschreiben.
In der Türkei habe ich in einer kleinen Stadt, an einer kleinen Universität studiert – ziemlich einfach war es, mit anderen in Kontakt zu kommen; sehr schnell habe ich Freunde gefunden. Hier jedoch, an der TU, ist das anders: Ca. 300 Studentinnen und Studenten studieren in meinem Studiengang; es ist nicht so leicht, Freundschaften zu schließen. Da jeder seinen eigenen Seminarplan aufstellt, trifft man die Studenten aus dem einen Seminar nicht unbedingt im nächsten wieder, Seminargruppen sortieren sich immer wieder neu. An meiner türkischen Hochschule war das “wir” wichtig, nicht so sehr das “ich”. Also haben wir dort gemeinsam Studieninhalte aufgearbeitet, uns gemeinsam auf die Prüfungen vorbereitet. Hier jedoch ist man Einzelkämpfer. Natürlich nicht nur: Der Kontakt zu Studenten, die wie ich aus der Türkei gekommen sind, ist relativ schnell hergestellt. Aus dem gleichen Land gekommen zu sein, erzeugt ein Gemeinschaftsgefühl, sorgt für Zusammenhalt und lässt uns unsere Studienerfahrungen austauschen, uns gegenseitig helfen – deswegen ist persönliche Kommunikation so wichtig. Auch die Kinder der Familien, die vor Jahren zum Arbeiten aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind, gehen inzwischen an die Universitäten, um sich weiterzuentwickeln. Die Gruppe der Studenten mit familiären Wurzeln in der Türkei, die selbst aber hier geboren wurden oder als Kinder hierher kamen und in Deutschland groß wurden, darf also nicht vergessen werden. Auch wenn es man nicht schnell mit ihnen in Kontakt kommt, helfen sie, wenn es notwendig ist. Der Kontakt zu deutschen Studenten ist zu Beginn ebenfalls schwierig: Für eine Freundschaft sind eben gemeinsame Interessen und ein gemeinsamer Humor eine wichtige Voraussetzung… Diese Kommunikationsschwierigkeiten dürften im ersten Jahr ganz normal sein – weil ich das aber noch nicht beendet habe, weiß ich noch nicht, ob es danach anderes werden wird.
In Europa ist der Begriff der Freiheit – im Vergleich zur Türkei – stark entwickelt. Die öffentlichen Universitäten werden als liberale Zentren der Meinungsbildung gesehen; Menschen aus allen Schichten, allen Ländern gemeinsam studieren zu sehen, ist hier keine Überraschung. Es gibt auch private Hochschulen und Universitäten für Studierende, die sich hohe Studiengebühren leisten können – anders als in der Türkei wird in Deutschland jedoch nicht jeden Tag eine neue Privatuni für die Kinder der Wohlhabenden eröffnet.
Meine erste Prüfung ist absolviert; die ersten Schritte bin ich gegangen. Auch wenn ich nicht die Note erreicht habe, die ich mir wünschte, so bin ich doch durchgekommen. Traurig muss ich nicht sein, weil ich sogar Deutsche gesehen habe, die durchgefallen sind. Das erste Semester, die erste Prüfung war für mich eine wichtige Erfahrung. Prüfungen müssen unbedingt mit dem Kugelschreiber geschrieben werden; Tipex ist verboten. Nach der Prüfung bekommt man routinemäßig ein Datum und einen Raum genannt, in dem man seine Prüfungsunterlagen noch einmal gründlich allein überprüfen kann. Aus diesem Grund ist der Kugelschreiber vorgeschrieben – die Benutzung eines Bleistifts also wie Tipex nicht erlaubt. Bei der Überprüfung ist man allein, ohne Beobachter. Das ist anders als in der Türkei, wo man zur nachträglichen Kontrolle der eigenen Prüfungspapiere einen formellen Weg gehen muss. Wer sie sehen möchte, muss bei der Fakultätsverwaltung einen Antrag stellen. Und es bringen viele nicht den Mut auf, einen Antrag zu stellen, wenn dann bei der Überprüfung der Prüfungsunterlagen der eigene Professor dabei sitzt.
Ich habe die Chance, zwei Länder und zwei Bildungssysteme von Nahem zu erleben. Natürlich gibt es hier auch andere Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind. Ich hoffe, sie teilen auch ihre Erfahrungen wie ich es tue, lassen sie anderen zu Gute kommen. Ich beende diesen Artikel gerade in der Bibliothek der Technischen Universität. Ich liebe diese Bibliothek; hier fühle ich mich wie zuhause. Vielleicht verbringe ich deshalb hier soviel Zeit.
Die Angebote neben dem Studium sind vielfältig: Es gibt zum Beispiel einen Fitness-Salon, in dem ich gleich wieder sein werde. Das war meine Geschichte soweit. Habe ich es bereut? Nein. Das war meine Entscheidung; ich wollte diesen Weg gehen. Wohin dieser Weg führt, kann natürlich niemand wissen. Um diesen Weg aber zu erhellen, werde ich mich weiter anstrengen müssen.