Hayatım ♥ Mein Leben …

… ay parçam, mein Mondstückchen, Schnecke, Bärchen, canım benim, mein Schatz: Namen, die liebkosen, Kosenamen eben. Laytmotif entemotionalisiert dieses heiße Thema und analysiert nüchtern die romantisch-irrationale Sprache der Kosenamen. Zu erwarten ist hier nicht: Ein Kosenamen-Stichwortgeber für Paare, seien sie türkisch-deutsch, deutsch-türkisch, türkisch-türkisch oder deutsch-deutsch. Das braucht es auch nicht, denn, wieder ganz nüchtern betrachtet, Liebe macht kreativ genug.

Canım, mein Schatz

Canım, mein Schatz, Berlin-Alexanderplatz 2015

„Kosen“ und mehr noch „liebkosen“, sagt das Lexikon, bedeutet „zärtlich sein“ und „liebevoll streicheln“. Ein Kosename ist also einer, der streichelt. Eine zärtliche Entsprechung für den Kosenamen scheint es im Türkischen nicht zu geben – „sevgi ifade eden takma ad“ übersetzt das Wörterbuch reichlich trocken, „ein Liebe ausdrückender Spitzname“.

Damit das Liebkosen richtig Spaß macht, braucht es wenigstens zwei, das Paar, çift auf Türkisch. Çift ist nicht nur das allgemeine Paar, sondern auch das Ehepaar und das Ochsengespann. Gar nicht so fremd, diese Doppelbedeutung: Das Ehegespann gibt bzw. gab es auch im Deutschen. In – je nach Land – mehr oder weniger bunten und intensiven Konstellationen bildet sich ein Paar aus Mann/Ehemann, koca, Frau/Ehefrau, karı, Partnern und Lebenspartnern, Partner*innen, wenn die deutsche Sprache gendergerecht sein will.

Prinz, prensim

Prinz, prensim, Berlin-Alexanderplatz 2015

Kein Paar ohne Partner also, eine direkte Übernahme aus dem Englischen, abgeleitet von part, Teil. Das türkische eş für Partner bildet viele Bedeutungen zugleich ab, bedeutet Teil (eines Paares), Pendant, Ehepartner, sowohl Ehefrau als auch Ehemann. Auch Freund und Freundin geben sich Kosenamen, vor allem die, die über eine platonische Freundschaft hinaus sind. Nicht mehr nur Freund sind, arkadaş♥ [Dieses Herz ist tatsächlich genau an dieser Stelle versehentlich entstanden, ischwör – Tastenkombination Alt+3  wird zu ♥], sondern schon kız arkadaş, in der Bedeutung des englischen girlfriend, und erkek arkadaş, boyfriend. Im Deutschen wird Freund und Freundin präzisiert mit dem besitzanzeigenden [!] Fürwort „mein Freund, meine Freundin“ – oder eben mit der Vergabe eines entsprechenden Kosenamens.

„Wonnigstes Antilöpchen, es ist ja herrlich, dass Du dann auch den ganzen 1. Feiertag und auch noch die Nacht dazu bei mir sein wirst, Du Süsses, Holdes, Liebstes, Zartes.“

Sollte das wirklich einer dieser rationalen Deutschen geschrieben haben? Hat er, der Künstler Max Schwimmer in den 1930ern an seine Geliebte. Konnten so zart nur Künstler bis vor 100 Jahren schreiben? Was ist heute übrig davon, wie romantisch geht es noch, im Land der Dichter und Denker und – fürs nächste Klischee, historisch-geografisch nicht ganz, aber ungefähr – dem Land von Tausendundeiner Nacht?

Ömrüm, mein Leben

Ömrüm, mein Leben, Istanbul 2015

Ein Kosenamen-Klassiker geht immer und ist schon mal ziemlich schillernd: Schatz bzw. mein Schatz. Schatz benutzen Liebende im deutschen Sprachraum schon seit dem 15. Jahrhundert: Ursprünglich bedeutet Schatz entweder „aufbewahrter Reichtum“ oder etwas Wertvolles, dass so lange versteckt war, dass der eigentliche Eigentümer nicht mehr zu finden ist… Verniedlichungsformen mit –chen oder –lein sollten generell vorsichtig gebraucht werden, weil ggf. abwertend. „Schätzchen“ ist so ein Fall; bei „Schatzilein“ kommt es sicher drauf an, wer das wie und wozu wem sagt.

Genauso viel benutzt, so weitverbreitet und, wenn nicht genügend Gefühl in das Wort gelegt wird, so mainstream ist das türkische canım. Zwar in der Regel mit „mein Schatz“ übersetzt, hat das Grundwort can mit irgendetwas zwischen Geist, Seele, Herz und Leben allerdings eine weniger greifbare und materielle Bedeutung als der Schatz. Und jetzt braucht es einen gerade für die Kosenamen wichtigen Grammatikeinschub: Im Türkischen macht erst die Possessivendung (-im, mein/e) einen Begriff zum Kosewort. Das Türkische hängt die Possessivendung an das Grundwort an: can, das Grundwort, canım, mein Schatz, güzel, schön und hübsch, güzelim, mein/e Schöne/r, Hübsche/r. Im Deutschen zeigt „mein“ als eigenständiges Wort Besitz an, muss aber bei Kosenamen nicht immer mitgesagt werden.

Sevgilim wird auch mit „mein Schatz“ übersetzt. Näher dran sind da allerdings Liebling oder – leidenschaftlicher – Geliebte/r, denn sevgilim setzt sich zusammen aus sevgi/Liebe, -li/mit und -im/mein. Aşkım, meine Liebe, konkurriert mit dem deutschen Liebste/r: Liebe, Lieber, Liebster, mehr Liebe geht wohl hierzulande nicht. Hayatım, mein Leben, ist ganz geläufig im Türkischen; im Deutschen dürfte das in aller Regel nur in einigermaßen (melo)dramatischen Situationen gesagt werden. Birtanem, mein eines Stück (bir=ein, tane=Stück) und tektanem, mein einziges Stück (tek=einziges) „matchen“ mit dem etwas aus der Mode gekommenen deutschen „mein Ein und Alles“.
Es kann in beiden Sprachen auch einigermaßen entrückt zugehen: Nurtanem, mein Lichtstückchen, und ay parcam, mein Mondstückchen, sind exklusiv türkisch, meleğim, (mein) Engel, und güneşim, (meine) Sonne und in der Steigerung (mein) Sonnenschein, versteht man in Istanbul und Berlin.

Schneck, Schnuck

Schneck, Schnuck, Berlin 2014

Bebeğim, mein Baby: Im Deutschen wird sowohl für das kleine Kind als auch den Geliebten, die Geliebte, seit langem schon das englische baby benutzt, weil der Säugling längst in den Bereich der medizinischen Fachbegriffe weggekrabbelt ist: Wer würde seinen Partner schon mein Säugling nennen wollen? Irgendwie gibt es das aber: Die deutschen Kosenamen Schnucki und Schnuckelchen wurzeln wohl im Saugprozess, von umgangssprachlich und lautmalerisch schnuckeln für nuckeln und naschen. Nicht weit von da zu Schnuckiputz(i): Wörterbücher haben ihre liebe Not, dafür türkische Entsprechungen zu finden. Sie bieten dafür zum Beispiel cicim an, mein Niedlicher. Oder den/die weitverbreitete tatlım, buchstäblich das auch unter Deutschsprachigen oft gebrauchte meine Süße oder mein Süßer. Auch süß: Şekerim, mein Zucker, sagen sich nahe- und nächststehende im Türkischen. Mein Zuckerstückchen hat man im Deutschen zwar schon gehört, ist aber sicher nicht Alltagsprache der Liebe. „Kimse sana canım cicim balım demesin“ wird im Song von Serdar Ortaç ft. Otilia befohlen, „Niemand soll zu Dir mein Schatz, mein Niedlicher, mein Honig sagen“ – hier haben wir die nächste Süßigkeit, balım, mein Honig. Gibt es irgendwie auch im Deutschen, aber nur auf Englisch, honey.

Gülüm, meine Rose

Gülüm, meine Rose, Istanbul 2013

Das englische Honeybunny, wenn man es übersetzen würde, Honighase, gehört durchaus zum deutschen Kosennamen-Wortschatz. Damit erfolgt der Sprung ins Reich der Tiere: Hase, gerichtet an Mann oder Frau, ist ein äußerst gern genutzter deutscher – aber nie gehörter türkischer – Kosename. Und geht als Hasi, Hasilein oder Häschen eine Nummer niedlicher noch. Die dem Hasen nagetierverwandten Maus bzw. Mäuschen folgen gleich danach. Eine hübsche Kombination, gerne auch für kleine Kinder und Tiere benutzt, ist der Mausebär. Bär, im Türkischen eher abfällig benutzt, ist als Bärchen – und hier geht nur die Verniedlichungsform – als deutscher Kosename in Gebrauch. Aslanım, mein Löwe, dürfte für die deutsche Zunge eher exotisch sein. Das gilt auch für „Naber koçum?“, „Was geht, mein Widder“, eine nicht unübliche Begrüßung unter türkischen Freunden. Kuzum, mein Lamm, im Türkischen funktioniert als Lamm im Deutschen nicht, und als Lämmchen nur ganz bedingt. Das Kosenamenreich der Käfer dürfte exklusiv dem Türkischen gehören: Böçeğim, mein Käfer, gül böçeğim, mein Rosenkäfer und ateş böçeğim, mein Feuerkäfer, mein Glühwürmchen. Sümüklü böçeğim, mein schleimiger Käfer, meine Schnecke, hört man allerdings im Türkischen nie – Schnecke wird im Deutschen dafür umso lieber, umso häufiger geflüstert. Wahrscheinlich genauso häufig wie Spatz, zusammen mit Taube/Täubchen Abkömmlinge der Vogelwelt.
Blumiger dann auf jeden Fall gülüm, meine Rose, nartanem, mein Granatapfelkern, çatalkaram, meine Traube, karadutum, meine schwarze Maulbeere, mein Obstkern, çekirdeğim, im Türkischen – und im Deutschen? Kirsche!

Mausi, fareciyim

Mausi, fareciyim, Berlin-Alexanderplatz 2015

Kalbım, Herz, mein Herz oder – eher unromantisch verniedlichend – Herzchen wird im Deutschen und im Türkischen gerne gesagt. Anders als das türkische ciğerim, meine Niere oder Lunge: Würde canım ciğerim auf Deutsch nicht etwas sonderbar klingen, mein Schatz, meine Niere? Sagen in der Türkei aber Partner, Freunde, Kumpel, Großtanten. Gözüm, mein Auge, unter türkischen Freunden benutzt, entspricht auf Deutsch dem heute etwas altmodischen wirkenden mein Augapfel. Meine Pupille, gözbebeğim, ist für türkisch Liebende wiederum normal. Die Pupille ist wortwörtlich übersetzt das Augenbaby (göz=Auge, bebek=Baby).

Aber, wie gesagt, Gefühle machen ja auch kreativ – Tausende andere, hier nicht erwähnte Kosennamen, wie Wichtel, Honigkuchenpferdchen oder çingenem, mein Zigeuner, werden gesäuselt. Wichtig ist ja vor Allem, dass man hin und wieder welche sagt und wie man sie dann sagt. Und was man dazu noch so sagt, zum Beispiel: Ich liebe Dich! Seni seviyorum! ♥♥♥